Paxx Reloaded

Wieder da: Sex-, Drugs-, Peace- and Rock'n'Roll Libertarians

Zuwenig netto, zuviel Schaumschlag

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Die der Paxx-Redaktion vorliegende „eigentümlich freie“ Abo-Kündigung von Prof. Dr. Rolf W. Puster liest sich aus Sicht der neuen rechten Freunde und Lichtgestalten des Herausgebers eher wie ein ausgestellter Persilschein nach dem Motto: „Sehr her, ich habe abgeschworen, akzeptiert mich nun endlich als einen der Euren!“ Er wird sie mit stolzgeschwellter Konvertitenbrust im konservativen juste milieu als Ausweis seiner vom Libertarismus gereinigten und somit geläuterten Gesinnung herumgereicht haben so wie einen Meßweinbecher bei der Heiligen Messe.

Für unsereinen hingegen ist der späte Abschied Prof. Pusters von diesem einstmals hoffnungsvollen Projekt – ich gestatte mir jetzt einfach diese Unbescheidenheit – der Ritterschlag, da man schon 2007 die Entwicklung der Zeitschrift folgerichtig vorhersehen konnte. Der Klärungsprozeß ist damit abgeschlossen, mit Pusters Abschiedsbrief an Lichtschlag gewissermaßen notariell beglaubigt:

Prof. Dr. Rolf W. Puster, Hamburg:

Kündigung meines ef-Abonnements

Sehr geehrter Herr Lichtschlag,

hiermit kündige ich fristgerecht mein (mit dem April-Heft 2011 auslaufendes) Abonnement von eigentümlich frei.

Zur Begründung (welche notgedrungen summarisch ausfallen muss): Der Anteil originär libertärer Beiträge, um deretwillen ich ef einmal abonniert habe, ist seit geraumer Zeit rückläufig.

Leider ist er nicht bloß zugunsten inhaltlich mehr oder minder belangloser Beiträge rückläufig (was zu verschmerzen gewesen wäre), sondern zugunsten von Beiträgen, deren konservativen Grundtenor ich in starker Spannung zu libertären Grundsätzen stehen sehe.

Viele Punkte, die mich (aber, wie ich weiß, nicht nur mich) stören, verbergen sich meist zwischen den Zeilen, oder sie lassen sich als Kundgabe individueller Präferenzen einzelner Beiträger ‚entschärfen‘ (wobei allerdings leicht vorhersehbar ist, was für ein Zerrbild der libertären Weltsicht in den Köpfen der von ef neu gewonnenen Leser entstehen wird, die dieses Amalgam aus Libertärem und Nicht-Libertärem rezipieren). Die nachstehend aufgeführten Punkte summieren sich zu einem Hintergrund, vor dem ich die — nach wie vor vorhandenen — unverfälscht
libertären Artikel von ef kaum noch goutieren kann:

• Die in der Fortentwicklung efs zum mehrfarbigen Hochglanzprodukt sich ausdrückende Habituswandel vom libertär-revolutionären Organ hin zum gediegenen Hausblatt traditionalistischer Honoratioren;

• das restaurative Frauenbild (Mutter — attraktiv — fromm), das beispielsweise mit der Anpreisung der Damen Stephanie zu Guttenberg und Kristina Schröder lanciert wird;

• die diversen Nickligkeiten gegen ‚unbürgerliche‘ bzw. deviante Lebensformen und Sexualpraktiken sowie die damit einhergehende (und überdies recht ahistorische) Idyllisierung des Familienlebens;

• die für ‚Besserverdienende‘ typische Unterbetonung des Umstandes, dass in erster Linie der Fehlanreize setzende Wohlfahrtsstaat Kritik verdient — und nicht diejenigen, die diese Fehlanreize für sich nutzen;

• die Hervorhebung des zweifellos vorhandenen freiheitlichen Potenzials des christlichen Glaubens zulasten eines realistischen Blicks auf seine gelebte, oft engstirnige und repressive Verwirklichung.

Ganz und gar unerträglich und für Libertäre unannehmbar ist jedoch in meinen Augen der sich neuerdings in ef breitmachende nationale Kollektivismus, von dem Sie selbst im jüngsten Heft eine unverdauliche Kostprobe geliefert haben:

„Deutschland hat sich nicht nur von der religiösen Vergangenheit abgewandt. Unsere zunehmend kinderlose Gesellschaft begeht, was ihre Zukunft betrifft, demographischen Selbstmord auf Raten.“ (S. 36)

(Dazu passen nur zu gut die kleinkarierten Bissigkeiten, die Sie in Ihrem ef-Editorial der Nr. 102 über den Atheismus und die Kinderlosigkeit von Ayn Rand gemacht haben, wobei Sie auf Max Stirner und Friedrich Nietzsche denselben groben Keil zur Anwendung brachten.)

Selbstverständlich hätte ich mich auf den ersten Satz dieses Briefes beschränken und meine Konsumentensouveränität stillschweigend dazu nutzen können, ein nicht mehr zufriedenstellendes Produkt nicht mehr weiter zu kaufen. Aber der Respekt vor den historischen Verdiensten von ef für die Sache der Freiheit und meine weltanschauliche Verbundenheit mit einer Reihe von ef-Autoren bestimmte mich dazu, ein übriges zu tun, und Ihnen zumindest ansatzweise eine kritische Perspektive auf die Entwicklung der von Ihnen maßgeblich geprägten Zeitschrift zu eröffnen.

Auch vom ureigensten libertären Gedankengut lässt sich mit Sinn wünschen: Mehr netto!

Mit besten Grüßen

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Written by dominikhennig

22. März 2011 um 01:44

7 Antworten

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  1. Hinter der ganzen Metamorphose von „ef“ zur Rechtspostille steckt im Grunde nicht mehr und nicht weniger als das Psychodrama eines komplexbeladenen Kleinbürgers, der krampfhaft versucht irgendwo dazuzugehören, und den der falsche Chic der gesellschaftlich zurecht Ausgegrenzten, der aggressiv-wehleidigen und wutbürgerlichen Einbildungs-Elite von Rechtsaußen magisch anzieht.

    Werner Giese

    22. März 2011 at 01:54

  2. Hmm, sehr schade. Nun muss meine Kündigung die nächsten Monate (sobald wieder Verlängerung anstünde) wie ein Plagiat wirken.

    Dringend nötig ist es, die letzten Hefte sind allesamt nach kurzem Überfliegen irgendwo in der Ecke verschwunden…

    Niklas Fröhlich

    22. März 2011 at 05:52

  3. Es klingt we me too,aber auch ich war kurzzeitig Abonennt. Ich war auch „regelmäßiger“ Leser auf dem Blog immme wieder hat mich diese Verherrlichung von gewissen Dingen aufgeregt und daher habe ich gekündigt. Ich habe es aber damals nicht so „fassen“ können. Die Worte von diesem Kündigungsschreiben „fassen“ es.

    Ich schrieb auch schon vor mehr als 1 Jahr, wir brauchen unbedingt eine „liberale“ Partei. Ich bin zwar im Grund gegen jede Partei aber es ist unsere einzige legitime Möglichkeit „mitzumsichen“. Allein schon dieser „Alleinanspruch“ durch Parteien ist ein schwerer Fehler, den man wirklich beheben sollte….

    Friedrich

    22. März 2011 at 06:36

    • Eine liberale Partei gibt es ja bereits: die „Partei der Vernunft“ (PdV) von Oliver Janich, der das Buch „Das Kapitalismus-Komplott“ geschrieben hat! Treten aber soweit ich weiss bei den derzeitigen Landtagswahlen nicht an.

      Maurice

      23. März 2011 at 13:41

  4. den der falsche Chic der gesellschaftlich zurecht Ausgegrenzten, der aggressiv-wehleidigen und wutbürgerlichen Einbildungs-Elite von Rechtsaußen magisch anzieht.

    Wen der zeitgeistige eunuchoide Jammerlinke ausgrenzt ist völlig belanglos. Eine Mehrheit sucht sich halt aus, wenn es zu unterdrücken lohnt. Perversion der Demokrätze. 😉 Wobei rinks und lechts ja eher politische Kampfbegriffe sind.

    Aber Herr Giese, in Feindbildpflege habe ich Ihnen etwas voraus, mir sind auch Mischformen bekannt. 🙂

    freiheitistunteilbar

    22. März 2011 at 19:02

  5. hehe

    In vielen Punkten genau meine Meinung. Speziell:

    – Die absurde Vorstellung, das Christentum wäre in irgendeiner Art eine Lösung für irgendein Problem (oder jemals eine Lösung für ein Problem gewesen).

    – Die absurde Vorstellung, alles was Linke doof finden ist automatisch super (AKWs, Gutenberg, Sarrazin)

    – Die absurde Vorstellung, die Mama-Papa-Kind-Familie wäre ultimativ, natürlich oder sonst wie besser als irgend ein anderes soziales Gebilde

    Max Mustermann

    25. März 2011 at 00:05

  6. vom Admin gelöscht

    John Locke

    10. August 2011 at 20:56


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